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Der Weg zu ‘Net Zero’ ist noch steiniger geworden

Der Weg zur Klimaneutralität ist schwierig. Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sowie die hohe Inflation haben diesen Weg noch steiniger gemacht. Was bedeutet das für Anleger, und wie beeinflusst das die ESG-Portfolios?

Der Klimawandel muss bekämpft werden. Das ist den Meisten klar. «Ein zielgerichteter und damit erfolgreicher Übergang zu einer nachhaltigeren Weltwirtschaft ist jedoch keineswegs garantiert, wie die unkoordinierten Reaktionen der Regierungen auf die Energiepreisspitzen im vergangenen Jahr gezeigt haben», erklären Monica Defend, Head of Amundi Institute, Vincent Mortier, Group CIO und Matteo Germano, Deputy Group CIO bei Amundi, in der aktuellen Publikation «Capital Market Assumptions 2023.» Der französische Vermögensverwalter zählt zu den zehn grössten Vermögensverwaltern der Welt. Das gemeinsame Ziel sei zwar definiert worden, doch werde es immer wieder Ereignisse geben, welche die Realwirtschaft und die Finanzmärkte tiefgreifend beeinflussen würden, ergänzen die Experten. Und sie warnen: «Durch nicht abgestimmte politische Massnahmen besteht die Gefahr eines ‘ungeordneten’ Übergangs.»

Energiewende könnte kurzfristig zu Inflationsschüben führen

Die Energiewende könne kurzfristig aufgrund höherer CO2- und Rohstoffpreise zu Inflationsschüben führen, fürchten die Experten. Doch werde der Preisdruck nicht von Dauer sein. Langfristigere Auswirkungen sehen sie dagegen in der Abkehr von fossilen Brennstoffen, in technologischen Entwicklungen und in einer zunächst geringeren Produktivität. Dies würde die Inlandsnachfrage dämpfen und das Wirtschaftswachstum mittel- bis langfristig hemmen.

Umgang mit Sozialkosten wird für den Übergang sehr wichtig sein

Die Zentralbanken würden versuchen, inflationären Schwankungen entgegenzuwirken, eine explosionsartige Verschuldung zu verhindern und gleichzeitig die langfristigen Zinsen unter Kontrolle zu halten. Die Sektoren, die am engsten mit dem grünen Wandel verbunden seien, würden dabei am meisten von der Unterstützung durch die Politik profitieren – eine Art «grüne quantitative Lockerung», so die Experten weiter. Die Investition von CO2-Steuereinnahmen in klimarelevante Aktivitäten, die Haushalten und Unternehmen helfen würden, könne auch einen Teil der negativen Auswirkungen des Übergangs auf das Wachstum ausgleichen. Dies könne zu einer höheren Produktivität führen und gleichzeitig dazu beitragen, Sozialkosten zu senken und Ressentiments in der Bevölkerung abzubauen.

«Der Umgang mit den Sozialkosten wird für den Übergang sehr wichtig sein, da die Auswirkungen des Klimawandels in der Bevölkerung ungleichmässig zu spüren sind», so ihr Vorschlag. Und sie fahren fort: «Ein integrativeres Wachstumsmodell könnte gefördert werden, indem die finanziellen Mittel zugunsten des Faktors Arbeit umverteilt werden, ohne die Wirtschaft wesentlich zu beeinträchtigen. Höhere Löhne würden zwar die Gewinnspannen der Unternehmen reduzieren, aber höhere verfügbare Einkommen kurbeln den Verbrauch der Haushalte an und stützen so wiederum die Umsätze der Unternehmen.»

Klimaschutztreiber gehören ins Depot

Die Anlageexperten raten weiter, die Entwicklungen hin zur Klimaneutralität im Blick zu behalten. Neue politische Massnahmen, Technologien und veränderte Verbraucherpräferenzen würden die kommenden Jahre mit Sicherheit bestimmen: «Der Klimawandel birgt für Anlegende sowohl Risiken als auch Chancen, und Themen rund um die Energiewende werden mit Sicherheit weiter im Fokus stehen.»

Aktienrenditen dürften tendenziell sinken

Bei den Aktienrenditen erwarten die Experten für die nächsten zehn Jahre einen Rückgang im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt: «Schwellenländer, insbesondere chinesische und indische Aktien, könnten interessante Möglichkeiten bieten, während die USA unter den reifen Märkten weiterhin die wichtigste Rolle einnehmen. Aus sektoraler Sicht werden die Vorreiter des grünen Wandels zusammen mit der Informationstechnologie bevorzugt. Die Aussichten für Value-Investitionen schätzen wir positiv ein.»

Anleihen erleben ein Comeback

Anleihen dürften nach vielen schwierigen Jahren zu ihrem langfristigen Trend zurückkehren und eine wichtige Rolle als Risiko-Diversifizierer in den Portfolios übernehmen, wie die Experten meinen: «Angesichts grösserer Unsicherheit und schwächerer Wirtschaftsaussichten muss allerdings mit einer höheren Volatilität gerechnet werden. Investment-Grade-Anleihen werden von den attraktiveren Bewertungen der Staatsanleihen profitieren. Anleihen aus Schwellenländern können höhere Renditen bieten, aber haben potenziell höhere Ausfallraten.»

Gewisse Anlagen helfen beim Aufbau inflationsresistenter Portfolios

Sachanlagen, alternative Assets und Rohstoffe werden nach Ansicht der Experten ebenfalls entscheidend für den Aufbau inflationsresistenter Portfolios sein: «Private Equity, insbesondere in den USA, führt unsere Rangliste der erwarteten Renditen an, während auf risikobereinigter Basis globale private Schuldtitel bevorzugt werden. Auch Hedgefonds können mit geringem Risiko attraktive Renditen erzielen. Immobilien und Infrastruktur sind anfällig für die Auswirkungen von klimabedingten Ereignissen, sind aber unter dem Gesichtspunkt der Diversifizierung attraktiv, was für die Erzielung höherer Renditen in einem Umfeld von grösseren Risiken entscheidend sein wird.» Summa summarum raten die Experten, über alle Anlageklassen hinweg einen neuen Ansatz zu finden, der helfe, in den geänderten Rahmenbedingungen langfristig Rendite zu erwirtschaften.