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Aus Angst vor Greenwashing wächst der Wunsch nach Richtlinien und Standards

Der Anteil nachhaltiger Geldanlagen hat sich seit 2018 mehr als verdreifacht. Greenwashing-Vorwürfe können dem Wachstum aber schaden. Die Anbietenden nachhaltiger Finanzprodukte sehen sich vor zahlreichen Herausforderungen.

Die Branche der nachhaltigen Geldanlagen befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Der Anteil nachhaltiger Geldanlagen hat sich seit 2018 mehr als verdreifacht. Dennoch stehen die Anbietenden nachhaltiger Finanzprodukte vor zahlreichen Herausforderungen. So sind die in einer Studie des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) Befragten zu 90% der Auffassung, dass Greenwashing-Vorwürfe das Potenzial haben, dem Wachstum nachhaltiger Geldanlagen zu schaden. Als Gründe für das Aufkommen von Greenwashing-Vorwürfen nennen die Befragten beispielsweise die fehlende eindeutige Definition einer nachhaltigen Geldanlage (82.8%), missverständliche EU-Regulatorik (65.5%), fehlende Standards (81%) und Unterschiede im Verständnis von Nachhaltigkeit (75.7%).

Transparenz nachhaltiger Geldanlagen soll gesteigert werden

Doch wie kann dem entgegengewirkt werden? Eine grosse Mehrheit der Marktteilnehmenden befürwortet es, die Transparenz nachhaltiger Geldanlagen weiter zu steigern, um Greenwashing entgegenzuwirken. «Die Herausforderung wird sein, den Wachstumskurs beizubehalten und gleichzeitig Qualität und Glaubwürdigkeit der nachhaltigen Produkte zu garantieren», sagt Bernhard Engl, Vorstandsvorsitzender des FNG. Und er ergänzt: «Es sollten alle möglichen Wege genutzt werden, um die sozial-ökologische Transformation voranzubringen. Wir benötigen Transparenz, aber auch die Vielfalt an Anlagestrategien. Und zwar einschliesslich effektivem Engagement mit ‘braunen Unternehmen’, die dann weiterhin in nachhaltigen bzw. Transformationsportfolios auftauchen.»

Greenwashing-Risiken vorbeugen

Greenwashing-Risiken entstehen unter anderem aus den strukturellen Problemen der Regulatorik, durch Fragen nach der Wirksamkeit von Sustainable Finance sowie subjektive Einschätzungen dazu, was nachhaltig eigentlich bedeutet. Diese Risiken lassen sich gemäss FNG durch mehr Transparenz auf Seiten der Anbietenden sowie das Erwartungsmanagement bei Kundinnen und Kunden vorbeugen. Dazu gehöre auch die Darstellung von Chancen und Limitationen der angewandten Nachhaltigkeitsstrategien. «Bewusstes Greenwashing das dieser notwendigen Grundlagen entbehrt, darf nicht geduldet werden», so Engl. Und FNG-Geschäftsführer Sascha Görlitz ergänzt: «Es gibt verschiedene Vorstellungen von Nachhaltigkeit und wie die notwendige Transformation erreicht werden kann. Von allen Marktteilnehmenden ist glaubwürdiges Handeln notwendig.»

Es braucht ein gemeinsames Verständnis von Greenwashing

Um eine gemeinsame Vorstellung davon zu sichern, was Greenwashing eigentlich bedeutet und auch, um mit anderen Akteuren in den Dialog zu treten, hat das FNG ausgehend von der Definition der ‘ESMA Securities and Markets Stakeholder Group’ folgendes Verständnis von Greenwashing erarbeitet:

Greenwashing ist die Praxis der Irreführung von Finanzmarktakteuren und Anlegern, insbesondere (aber nicht ausschliesslich) in Zusammenhang mit der Erlangung eines unlauteren Wettbewerbsvorteils, indem eine unbegründete ESG-Behauptung über ein Finanzprodukt oder eine Finanzdienstleistung aufgestellt wird. Es ist zu unterscheiden zwischen Fällen, in denen eine objektive Falschaussage vorliegt (Greenwashing) und Fällen, in denen subjektive Meinungen dazu, was nachhaltig ist, aufeinandertreffen. Letzteres kann zu Greenwashing-Vorwürfen führen.

Nachhaltigkeitsstrategien tragen zur Transformation bei

Wie die Umfrage weiter ergeben hat, tragen zur Transformation vor allem die Nachhaltigkeitsstrategien Impact Investment, Engagement und Stimmrechtsausübung als Teil von Engagement bei. Ausschlüssen wird dagegen eher weniger Potenzial zugeschrieben.

Engagement gilt als eine der vielversprechendsten Nachhaltigkeitsstrategien. Eine öffentlich einsehbare Engagement-Richtlinie, die Angaben zu den Eskalationsstufen enthält, kann die Transparenz erhöhen. Rund die Hälfte der befragten Finanzunternehmen, die Engagement betreiben, gibt an, bereits eine solche Richtlinie zu haben. Die Befragung zeigt zudem, dass Unternehmensdialoge überwiegend zu den Themen Klima und Biodiversität geführt werden. Die Stimmrechtsausübung wird laut Befragung vorwiegend dafür eingesetzt, die Governance der Unternehmen zu verbessern und Transparenz zu fördern.

Die Befragung hat auch bestätigt: Die Branche strebt nach einheitlichen Richtlinien und Standards. In den qualitativen Antworten wünschen sich die Befragten Klarstellungen und Harmonisierungen der regulatorischen Vorgaben. Ausserdem werden die Etablierung von Standards und die Differenzierung zwischen nachhaltigen Geldanlagen und Investitionen in Transformationsunternehmen genannt.

ESG-Kriterien wirken sich langfristig positiv auf das Rendite-Risiko-Profil aus

Daneben gehen nahezu alle befragten Finanzunternehmen davon aus, dass sich Investments nach ESG-Kriterien langfristig positiv auf das Rendite-Risiko-Profil ihres Portfolios auswirken. Für 82% der Befragten stellt die Betrachtung von ESG-Faktoren ein zentrales Element ihres Risikomanagements dar. Die Branchenexperten geben an, dass sich die Einhaltung der Standards langfristig lohnt. Für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien sind etwa 70% bereit, auch kurzfristige Renditeeinbussen in Kauf zu nehmen. «Diese Einschätzung stimmt uns positiv. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber die Branche weiss, wohin die Reise gehen muss, und woran wir in der Zukunft arbeiten müssen, um die Transformation voranzubringen», formuliert FNG-Vorstand Engl abschliessend.