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Viele Schweizer Finanzinstitute stehen unter dem Verdacht des "Greenwashing"

Wie gut beraten Schweizer Banken ihre Kundinnen und Kunden über nachhaltige Kapitalanlagen? Nur mangelhaft, so das Fazit einer neuen Studie. Die Defizite bei Beraterwissen, Angebot und Produkten sind demnach frappant.

Nachhaltigkeit ist in aller Leute Munde. Einerseits erinnern die zunehmenden Wetter-Kapriolen an die Instabilität unseres Klimas und lassen Forscher vor einem klimatischen Kollaps warnen. Andererseits appellieren Politiker auch an die Finanzindustrie, dass sie mit ihren Milliarden eine nachhaltige Entwicklung fördern solle. Auf der Suche nach neuen Märkten und Rendite haben viele Finanzinstitute damit begonnen, ihre Produkte «grün zu waschen». Die Finanzprodukte halten also nicht, was sie versprechen. Dagegen geht Greenpeace vor. Der Schweizer Ableger der globalen Umweltorganisation hat mithilfe von Greenpeace-Aktivist*innen ein Mystery Shopping durchgeführt. Das Fazit: Den Tester*innen wurden Anlageprodukte als klimaverträglich empfohlen, die in keiner Weise mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sind. Insgesamt ist die Beratungsqualität zu nachhaltigen Kapitalanlagen mangelhaft. Für Greenpeace Schweiz sind diese Ergebnisse ein weiterer Beweis dafür, dass der Schweizer Finanzplatz mit «Sustainable Finance» Greenwashing betreibt.

Mystery Shopping soll Qualität von Beratung und Produkten messen

Greenpeace Schweiz hat dieses Frühjahr 33 Greenpeace-Aktivist*innen losgeschickt, um Schweizer Banken und Vermögensverwalter zu testen. Sie gaben sich als interessierte Anleger*innen aus und vereinbarten eine Beratung beim Finanzinstitut ihrer Wahl. Das Mystery Shopping verfolgte zwei Ziele: Erstens die Beratungsqualität zu nachhaltigen und insbesondere klimaverträglichen Kapitalanlagen bei Banken zu erfassen und zweitens zu bewerten, ob die als klimaverträglich beworbenen Anlageprodukte tatsächlich eine nachhaltige Wirtschaft fördern.

Eine Studie von Greenpeace Schweiz und Greenpeace Luxemburg, dass es sogenannt nachhaltigen Anlagefonds bislang nicht gelingt, wesentlich mehr Kapital in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft zu lenken als konventionellen Fonds. Die Umlenkung von Kapital durch nachhaltige Anlagen ist jedoch ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Klimakrise.

Nachhaltigkeit ist in Beratungsgesprächen kein Standard-Thema

Die Tester*innen führten bei insgesamt 19 verschiedenen Banken (siehe Liste) 43 Gespräche durch. «Die Qualität der Beratungsgespräche bezüglich nachhaltigen Anlegens ist bei den meisten Finanzinstituten mangelhaft», bilanziert Larissa Marti, Expertin für Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. In nur der Hälfte der Gespräche haben die Berater*innen zu Beginn überhaupt gefragt, ob Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage wichtig sei. In den anderen Fällen mussten die Tester*innen aktiv auf ihre Präferenz hinweisen: Sie wünschten alle explizit eine klimaverträgliche, also eine mit dem Pariser Klimaabkommen kompatible Anlagelösung. Insgesamt wurden den Tester*innen zehn Produkte angeboten, die diesem Wunsch entsprechen sollten. In einer späteren Analyse konnte die Klimaverträglichkeit dieser Anlagen aber nicht nachgewiesen werden.

Greenpeace Schweiz hat diese 19 Finanzinstitute getestet:

  • Aargauische Kantonalbank
  • Alternative Bank Schweiz (ABS)
  • Bank Avera
  • Bank BSU
  • Bank Cler
  • Basellandschaftliche Kantonalbank
  • Basler Kantonalbank
  • Berner Kantonalbank
  • Credit Suisse
  • Graubündner Kantonalbank
  • Migros Bank
  • PostFinance
  • Raiffeisen
  • Thurgauer Kantonalbank
  • UBS
  • Urner Kantonalbank
  • Valiant Bank
  • VZ Vermögenszentrum
  • Zürcher Kantonalbank

 

Wissen der Beratenden ist mangelhaft

Das Mystery Shopping hat weiter verdeutlicht, dass Berater*innen zu wenig über nachhaltige Kapitalanlagen wissen. Ihnen war teilweise nicht einmal das Pariser Klimaabkommen ein Begriff, obwohl darin die Finanzbranche ganz explizit angesprochen wird. Nur nach weniger als einem Drittel der Gespräche fühlten sich die Tester*innen in der Lage, Geld entsprechend ihren eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen anzulegen. Die Beratungsqualität war zudem in rund zwei Dritteln der Gespräche unzureichend, so dass die Tester*innen nicht nachvollziehen konnten, weshalb die empfohlenen Produkte nachhaltig, bzw. klimaverträglich sein sollen.

Viele Fonds sind nicht mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel

Noch mehr Defizite offenbaren die Banken mit ihrem Angebot von sogenannt klimaverträglichen Anlageprodukten. Das macht die vertiefte Analyse jener zehn Produkte deutlich, die gemäss Aussagen der Tester*innen als klimaverträglich empfohlen wurden. Um die tatsächliche Klimaverträglichkeit dieser Produkte zu bewerten, wurden die ausgehändigten Dokumente sowie die frei zugänglichen Informationen auf den Websites der Finanzinstitute analysiert.

Keines der als klimaverträglich empfohlenen Anlageprodukte definiere tatsächlich die Einhaltung der Pariser Klimaziele für sich als Massstab, kritisiert Greenpeace Schweiz. «Das ist erschreckend», sagt Larissa Marti. «Klimaverträglichkeit impliziert die Vereinbarkeit mit dem Pariser Klimaabkommen. Also müssen Produkte, die als klimaverträglich empfohlen werden, zwingend Paris-kompatibel sein. Ansonsten betreiben die Finanzinstitute Greenwashing.»

Umsetzung der Anlagestrategien ist intransparent

«Konkret sind die als klimaverträglich angebotenen Finanzprodukte nur marginal klimafreundlicher als konventionelle Anlagen. Ferner herrscht eine grosse Intransparenz darüber, wie die Portfoliomanager*innen die Anlagestrategien anwenden, um die Nachhaltigkeit der Produkte zu garantieren», kritisiert Greenpeace Schweiz weiter. Die Umweltorganisation empfindet es als sehr problematisch, dass bei fast 60% der als klimaverträglich empfohlenen analysierten Fonds die Nachhaltigkeitskriterien nur für einen Teil des Fondsportfolios angewandt werden. Das Risiko sei somit hoch, dass diese Fonds auch in klimaschädliche Unternehmen investierten. Hinzu komme, dass gewisse Produktwerbung gar als irreführend bezeichnet werden müsse, wie die Untersuchung von zwei Produkten der UBS und der Credit Suisse ergeben habe. Diese würden eine Klimawirkung versprechen, die sie effektiv nicht haben könnten.

Schweizer Finanzplatz kann bei Sustainable Finance kaum führend werden

Das Mystery Shopping zeigt somit deutlich, dass Paris-kompatibles Anlegen heute kaum möglich ist. «Diese Erkenntnis steht im krassen Gegensatz zum Ziel des Schweizer Finanzplatzes, im Bereich Sustainable Finance führend sein zu wollen», sagt Peter Haberstich, Projektleiter Klima und Finanzwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. «Die Finanzinstitute leisten mit ihren sogenannt nachhaltigen Kapitalanlagen derzeit kaum einen Beitrag, die Realwirtschaft klimaverträglich auszugestalten, obwohl das Pariser Klimaabkommen längst die klimafreundliche Ausrichtung aller Finanzflüsse fordert.»

Finanzindustrie ist gefordert

Tatsächlich schreitet die Klimaerwärmung schneller als bislang angenommen voran. Die Treibhausgasemissionen müssen so rasch als möglich deutlich sinken, wie der Weltklimarat kürzlich dargelegt hat. «Die Banken müssen daher rasch Produkte entwickeln und anbieten, die Kapital in eine klimaverträgliche Wirtschaft umlenken und zur Lösung der Klimakrise beitragen», fordert Peter Haberstich. Auch sieht er die Finanzinstitute in der Pflicht, ihre Berater*innen so zu schulen, dass diese ihre Kund*innen auf die Nachhaltigkeit ihrer Kapitalanlagen ansprechen und dafür sorgen können, dass immer mehr Geld in eine Paris-kompatible Wirtschaft fliesst.

Greenpeace fordert überdies, dass Bundesrat und Parlament Mindestanforderungen für sogenannt nachhaltige Kapitalanlagen definieren: Als nachhaltig ausgewiesene Anlagefonds müssen in Wirtschaftsaktivitäten investiert sein, deren Emissionsabsenkpfad mit den Pariser Klimazielen und einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad vereinbar ist.