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Greenwashing – Gestiegenes Compliance-Risiko für Unternehmen

Der Druck auf Unternehmen, sich der Nachhaltigkeitsthemen anzunehmen, steigt unaufhörlich. Manche Produktanbieter täuschen die ESG-Konformität auch nur vor. Doch ‘Greenwashing’ birgt erhebliche zivilrechtliche und strafrechtliche Risiken.

Produkte, Anlageprospekte und Werbekampagnen verwenden immer häufiger Schlagworte wie ‘Klimaneutral’, ‘nachhaltig’ oder ‘ESG-konform’. Wird jedoch nicht ausreichend erklärt, was diesen Aussagen zugrunde liegt, oder werden die vorgegebenen Eigenschaften nicht erfüllt, birgt das gerade im Finanzsektor strafrechtliche Risiken. Das sogenannte Greenwashing beschäftigt mittlerweile nicht nur Behörden und Politik, sondern auch Gerichte. Experten raten Unternehmen daher, durch die Einführung von ESG-Compliance Prozessen Risiken vorzubeugen.

Greenwashing-Vorwürfe sorgen für Unbehagen in der Finanzindustrie

ESG steht für Environmental, Social und Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – und bezieht sich auf die Kriterien, die im Investment-Prozess besonders berücksichtigt werden. Neben positiven Renditen stehen die langfristigen positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt im Fokus. Im Jahr 2020 betrug das Marktvolumen Nachhaltiger Anlagen laut der Global Sustainable Investment Alliance 35,3 Billionen US-Dollar. Das war mehr als ein Drittel aller verwalteten Vermögen in den grossen Volkswirtschaften. Und das Volumen wächst weiter: Bis 2025 soll die ESG-Branche ein Volumen von rund 53 Billionen Dollar erreichen. Es geht um sehr viel Geld. So lässt sich nachvollziehen, dass viele Vermögensverwalter in diesem Markt mitmischen möchten. Manche geraten dabei allerdings unter Druck.

DWS weist Vorwürfe zurück

Prominentes Beispiel ist die DKS, eine Fondstochter der Deutschen Bank. Ihr Chief Executive Officer Asoka Wöhrmann musste Anfang Juni 2022 zurücktreten, nachdem die Polizei die Büros des Vermögensverwalters auf der Suche nach Beweisen durchsucht hatte. Die amerikanische Finanzaufsicht SEC hatte die DKS offenbar schon seit August 2021 im Visier. Auslöser waren Greenwashing-Vorwürfe der ehemaligen Nachhaltigkeits-Chefin von DWS gewesen. Die Whistleblowerin hatte behauptet, dass Aussagen zur Anwendung von ESG-Kriterien bei Milliarden von verwalteten Vermögen nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Das würde als Prospektbetrug qualifizieren. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt begann mit ihren Ermittlungen wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs im Januar 2022. Ende Mai durchsuchte das Bundeskriminalamt zusammen mit der Staatsanwaltschaft und der Aufsichtsbehörde Bafin den Firmensitz der DWS Group und der Deutschen Bank. Die DWS wies die Vorwürfe zurück. Aufsichtsratschef Karl von Rohr kündigte klare Konsequenzen an, sollten die Ermittlungen der Behörden Fehlverhalten ergeben.

ESG-Branche steht vor einem Wendepunkt

Beobachter sehen im Ausscheiden eines CEO unter dem Vorwurf des Greenwashings einen Wendepunkt für die ESG-Branche. Je mehr regulatorischer Druck bezüglich der Richtigkeit von angegebenen Informationen aufgebaut werde, desto riskanter werde es für die Finanzindustrie, Aussagen zu machen und Versprechen abzugeben. Dies umso mehr, als eine Taxonomie bzw. einheitliche Verfahren und Modelle, um ESG-Anlagen nach klaren Kriterien in Kategorien oder Klassen einzuordnen, fehlen würden.

Derzeit verkaufen Asset Manager aktiv und passiv gemanagte Fonds, die auf Nachhaltigkeitsratings basieren. Bei der Integration von ESG-Kriterien würden die Probleme aber schon damit beginnen, dass sie kaum messbar seien, sagen Kritiker. Hinzu komme, dass die Ratings sehr subjektiv, nicht konsistent und teilweise widersprüchlich seien. ESG-Ratingagenturen würden deshalb nur wenig Vertrauen geniessen, während Index-Anbieter zur Verwirrung weiter beitrügen.

Regulierung nimmt stetig zu

Die verstärkte Untersuchungstätigkeit im Bereich von ESG-Investments durch Behörden und Gerichte geht einher mit einer zunehmenden Regulierung durch die Aufsichtsbehörden, wie bei «jdsupra.com» nachzulesen ist. Auf europäischer Ebene seien mit der Verabschiedung der Offenlegungs-Verordnung und der Taxonomie-Verordnung bereits zwei Regularien zur Einordnung und Information über die Nachhaltigkeit von Investments auf den Weg gebracht worden. Eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit gelte nach Art. 2 Nr. 17 der Offenlegungs-Verordnung als ‘nachhaltig’, wenn sie einen Beitrag zur Verwirklichung eines Umwelt- oder sozialen Ziels leiste, dabei nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer (anderer) Ziele führe, und die Unternehmen, in die investiert werde, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwendeten.

In den USA laufe aktuell noch die Stellungnahmefrist zum Entwurf der SEC für eine stärkere Regulierung von ESG-Investments. Der Entwurf sehe eine Kategorisierung mit abgestuften Informationspflichten vor. Danach müssten sowohl die ESG-Strategien als auch, in bestimmten Fällen, die Treibhausgasemissionen dargestellt werden.

Regularien geben erste Anhaltspunkte für Transparenzanforderungen

Für Unternehmen ergeben sich aus den neuen oder geplanten Regularien erste Anhaltspunkte, welche Transparenzanforderungen Behörden an die Werbung mit nachhaltigen Investments stellen werden, argumentieren die Experten von jdsupra.com. Gleichzeitig weisen sie auf das steigende Risiko hin, dass mit einer engeren Regulierung weitere Durchsetzungsmassnahmen folgen könnten. «Mit weiterer Umsetzung ihres Green Deals ist davon auszugehen, dass die EU und nationale Gesetzgeber den Druck für Unternehmen erhöhen werden, Werbeaussagen über die Nachhaltigkeit von Produkten und Dienstleitungen mit Tatsachen zu belegen», so ihr Fazit.