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COP26: Die Klimawende zum Nulltarif gibt es nicht

Gemäss der Erklärung von Glasgow sollen die ineffizienten Subventionen für Öl, Gas und Kohle gestrichen werden und die Länder ihren Kohleausstieg einleiten. Sie sollen unzureichende Klimaschutzpläne zudem bis Ende 2022 nachbessern müssen.

Um das Pariser Klimaabkommen von 2015 mit konkreten Massnahmen zu untermauern, fand zwischen dem 31. Oktober und dem 12. November 2021 die 26. UNO-Klimakonferenz in Glasgow statt, an der rund 200 Länder teilgenommen haben. 2015 hatten sich die teilnehmenden Länder verpflichtet, die Erderwärmung auf unter zwei Grad bzw. auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Die nationalen Klimapläne hätten seitdem auf dieses Ziel ausgerichtet werden sollen. Aktuell ist die Durchschnittstemperatur der Erde bereits um 1,2 Grad gestiegen. Verantwortlich dafür sind die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen, die bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle, Erdgas und Erdöl entstehen.

Bisherige Pläne reichen nicht aus

Während der Klimakonferenz in Glasgow hat sich jedoch herausgestellt, dass die bisherigen Pläne der Länder nicht ausreichen, um dieses Ziel einhalten zu können. Nach der jüngsten Analyse des ‘Climate Action Tracker’ steuert die Erde auf einen Temperaturanstieg von 2,4 Grad bis zum Jahr 2100 zu. Offenbar befindet sich kein Land auf dem weltweit angestrebten 1,5-Grad-Pfad. Zwar bekennen sich viele Länder in ferner Zukunft – etwa 2050 (USA), 2060 (China) oder gar 2070 (Indien) – zur Klimaneutralität, doch schaffen sie es nicht, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 zu senken. Dabei haben es die Organisatoren der COP26 als zentral erachtet, dass die nationalen Ziele für 2030 weiter angehoben und mit konkreten Massnahmen unterlegt würden. Worum geht es konkret?

1. Es geht um nationale Klimaziele

In der Erklärung von Glasgow sollten sich die Länder dazu bekennen, ihre Bemühungen zum Klimaschutz zu beschleunigen. Umweltorganisationen forderten ausserdem, die Klimapläne jährlich zu überprüfen, und sollten sie nicht ausreichen, müssten die Länder sie nachbessern. Der Entwurf zur Erklärung sah vor, dass die nationalen Pläne bis Ende 2022 im Einklang mit den im Weltklimavertrag vereinbarten Vorgaben zur Erderwärmung stehen sollten. In der Abschlusserklärung von Glasgow heisst es nun, dass alle Länder ihre nationalen Klimapläne bis Ende 2022 nachbessern sollten, und nicht erst bis Ende 2025, wie bisher geplant.

2. Es braucht ein Regelwerk

Im Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen fehlten noch Standards für einen Austausch- und Anrechnungsmodus von Treibhausgasminderungen aus internationalen Klimaschutzprojekten. Zu den Emissionsverminderungen im Ausland wurden nun Regeln verabschiedet, welche die doppelte Anrechnung zwischen den Ländern verhindern. Die Emissionsverminderungen können auch zwischen den Ländern und dem CO2-Kompensationssystem der Flugbranche (CORSIA) nicht doppelt angerechnet werden. Auch Private können sich mit freiwilligen Klimaschutzprojekten an diesem Markt ohne Doppelzählung beteiligen. Diese Verminderungen dürfen nicht an die Klimaziele der Länder angerechnet werden. Ein Erfolg für die Schweiz, die sich an der Konferenz gegen die Doppelzählung eingesetzt hat, und anhand ihrer bilateralen Klimaschutzabkommen aufzeigen konnte, dass eine solche Regelung möglich ist.

Ein wichtiger Bestandteil des Pariser Übereinkommens ist auch, wie transparent die Länder über ihre Fortschritte im Klimaschutz berichten, und wie diese Berichte geprüft werden. Die Länder haben sich nun darüber geeinigt, wie sie über ihre Emissionsverminderungen und die Unterstützung, die sie dafür selber erhalten oder anderen Ländern geben, Bericht erstatten. Dabei soll den Ländern, welche nachweislich die Kapazität zur Berichterstattung nicht haben, erlaubt werden, weniger umfangreich zu berichten. Aus Sicht der Schweiz ist das Ergebnis positiv, denn diese Transparenzregeln sind entscheidend für das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien.

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisiert die Schweiz allerdings: «Die Schweiz hat während der Klimakonferenz keine einzige Massnahme präsentiert, um den CO2-Ausstoss im Inland deutlich zu senken. Stattdessen brüstet sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit der Unterzeichnung weiterer Abkommen mit Staaten des globalen Südens, damit die Schweiz CO2 im Ausland kompensieren kann. Sich dann als Klimaschutz-Vorreiterin zu gebaren, und zu behaupten, die Schweiz sei auf dem Pfad des Pariser Klimaabkommens, ist irreführend.»

3. Der Kohleausstieg ist zwingend

Umweltschützer forderten ein Datum, bis wann sich die Länder verpflichten sollten, aus der Kohle auszusteigen. Denn es ist klar, dass ein Ausstieg aus der Kohle nötig ist, um die Treibhausgas-Emissionen deutlich senken zu können. Sie ist der CO2-intensivste Energieträger und steht beim weltweiten Energieverbrauch an zweiter Stelle nach dem Erdöl. Global steigt der Kohleverbrauch derzeit noch an, nicht zuletzt wegen der vielen Kohlekraftwerke in China.

Im Abschlussdokument findet sich dennoch die Forderung, weltweit aus der Kohle auszusteigen. So sollen die Bemühungen in Richtung eines Ausstiegs beschleunigt und ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe gestrichen werden. Kritiker bemängeln zwar, dass die Formulierungen im Vergleich zu früheren Textfassungen abgeschwächt worden seien; der Ausstieg beschränke sich beispielsweise auf Kohlekraftwerke, bei denen es keine Technologien gäbe, um Kohlendioxid in den Abgasen zu binden, etwa durch die Lagerung in Gestein. Auch lasse der Begriff «ineffizient» bei den Subventionen Interpretationsspielräume. Dennoch feiern Umweltverbände wie Greenpeace die Abschlusserklärung als Durchbruch; so tauche der Kohleausstieg in der Geschichte der UNO-Klimakonferenzen erstmals in einem Abschlussdokument auf.

4. Entwicklungsländer benötigen finanzielle Unterstützung

Finanzhilfen für die ärmsten Länder, damit sie sich an die Folgen der Klimakrise anpassen können, sind dringend von Nöten. Viele Entwicklungsländer werden jetzt schon von Dürren, Hitzewellen und Unwettern heimgesucht. Die Industriestaaten hatten den Entwicklungsländern bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaprojekte und für Anpassung an den Klimawandel zugesagt, was erst 2023 erreicht sein dürfte, dann aber hoffentlich übertroffen wird. 2019 flossen offenbar 80 Milliarden Dollar. Der Fehlbetrag hat die Industrieländer an Glaubwürdigkeit gekostet, sagen Kritiker, weshalb sich die Verhandlungen in Glasgow als schwierig erwiesen. Inzwischen wurde beschlossen, dass die Industrieländer bis 2025 die Gelder verdoppeln sollten, die sie 2019 in Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern bereitgestellt hatten.

Und wie soll es nach 2025 weitergehen? Wie kann den ärmsten Ländern bei den massiv wachsenden Schäden und Verlusten (Loss and Damage) geholfen werden? Viele der Länder, die schon heute am stärksten unter der Klimakrise leiden, haben am wenigsten dazu beigetragen. Leider gibt es dazu keine konkreten Vereinbarungen. Für die Zeit nach 2025 soll bis 2024 ein neues Finanzierungsziel beschlossen werden. Dieses soll auch Investitionen aus der Wirtschaft beinhalten.

Die Schweiz hat an der Konferenz Beiträge im Umfang von über 50 Millionen Franken an den UNO-Anpassungsfonds, die Climate and Clean Air Coalition, den Least Developed Countries Fund, den Climate Investment Fund und die High Impact Partnership on Climate Action der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gesprochen. Mit diesen Beiträgen unterstreicht die Schweiz ihre Zusage, einen fairen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung zu leisten. Einen neuen Fonds für die technische Unterstützung nach klimabedingten Schadensereignissen soll es nicht geben. Die Schweiz hat sich an der Konferenz dafür eingesetzt, dass die bestehenden Instrumente und Institutionen für den Umgang mit Klimaschäden gestärkt werden. Es wurde zudem beschlossen, die Entwicklungsländer beim Zugang zu diesen bestehenden Instrumenten zu unterstützen.

Hat Glasgow die Welt vorangebracht?

EU-Kommissar Frans Timmermans äusserte seine grosse Enttäuschung über die Abschwächung vieler Formulierungen in der COP26-Abschlusserklärung. Auch die Schweiz zeigte sich enttäuscht über die Wendung zum Schluss. Die Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga etwa ist trotz «einiger Erfolge» nicht zufrieden mit dem Resultat der Weltklimakonferenz von Glasgow. Nach Ansicht von Sommaruga, wie auch zahlreicher Umweltorganisationen, wird eine Abschwächung des Kohleverbrauchs nicht ausreichen, um die Erwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Immerhin aber sei das Signal gesetzt worden, dass die Ära der Kohle zu Ende gehe.

Für viele ist es enttäuschend, dass China weiterhin neue Kohlekraftwerke im eigenen Land baut. Immerhin will China die Finanzierung fossiler Brennstoffe im Ausland bis Ende 2022 stoppen. 40 weitere Länder, darunter Indonesien, Südafrika und Nigeria, haben angekündigt, keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu bauen. Zwar wird sich der Ausstieg noch bis in die 2040er-Jahre hinziehen, aber ein Anfang ist gemacht. Beobachter feiern dies letztlich als Erfolg.

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