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Wenn Verzicht eine Bereicherung ist

Wie kann man Lebensmittelabfall verringern? Dieser Frage sind Forschende der ETH Zürich nachgegangen. Derweil ist ein Schweizer das Problem in der realen Welt angegangen, und hat das «Zollfrei» und das «Foifi» ZeroWaste Ladencafé gegründet.

Werden Lebensmittel hergestellt, aber nicht konsumiert, führt das zu unnötigen CO2- Emissionen, zum Verbrauch von Land- und Wasser, und langfristig zu einem Verlust von Biodiversität, kritisieren Forschende der ETH-Zürich. Und sie erklären, dass in der Schweiz ein Viertel der ‘Umweltbelastung Ernährung’ auf vermeidbare Lebensmittelverluste zurückzuführen sei.

Nahrungsmittelverluste pro Kopf sollen bis 2030 halbiert werden

Die Schweiz hat zusammen mit mehr als 190 Staaten die UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Ein Ziel dieser UNO-Agenda ist es, bis 2030 die Nahrungsmittelverluste pro Kopf auf Einzelhandels- und Konsumentenebene zu halbieren, und die entstehenden Nahrungsmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferkette zu verringern. Ob und wie dieses Ziel erreicht werden kann, hängt stark von der Unterstützung durch die Schweizer Bevölkerung ab, sagen die ETH-Forschenden.

Lebensmittelabfälle werden als moralisches und wirtschaftliches Problem gesehen

Die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung betrachtet Lebensmittelabfälle als moralisches und wirtschaftliches Problem, wie eine repräsentative Befragung der ETH Zürich ergeben hat. Eine Mehrheit nimmt sie auch als Umweltproblem wahr, obschon die Meinungen hier auseinander gehen.

Tatsächlich geht rund ein Drittel der Lebensmittel, die für den Schweizer Konsum produziert werden, entlang der Lieferkette verloren, oder wird am Ende weggeworfen. Allerdings überschätzen die Meisten den Anteil an Lebensmittelabfällen von Gastronomie und Handel, während der Anteil von Haushalten und Lebensmittelverarbeitung stark unterschätzt wird.

Was tun gegen Lebensmittelabfälle?

Die Mehrheit der Bevölkerung tut bereits einiges, um unnötige Lebensmittelabfälle im eigenen Haushalt zu vermeiden, und sie ist bereit, in Zukunft noch mehr dafür zu tun, wie die Befragung ergeben hat. Denn sie hält die bisherigen, freiwilligen Massnahmen auf Stufe der Haushalte und der Unternehmen für ungenügend. Die Mehrheit befürwortet deshalb stärkere und verbindlichere Massnahmen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen seitens des Staates.

Solche umfassen beispielsweise staatlich finanzierte Informationskampagnen, eine stärkere Berücksichtigung des Themas in Schulen und Berufsbildung, Vorschriften, wie Unternehmen mit Lebensmitteln mit bevorstehendem Ablaufdatum umgehen müssen, eine gesetzliche Verpflichtung, Lebensmittelabfälle bis 2030 um 50% zu reduzieren, eine Berichterstattungspflicht zur Abfallverringerung sowie eine Entsorgungsgebühr für Lebensmittelabfälle von Unternehmen.

Bevölkerung befürwortet die Verringerung von Lebensmittelabfall trotz Mehrkosten

Der Schweizer Bevölkerung ist die wirkungsvolle Reduktion von Lebensmittelabfällen besonders wichtig, so das Ergebnis der Befragung. Ob Unternehmen freiwillig oder unter regulatorischem Zwang agieren, ist demnach zweitrangig, solange das Engagement glaubwürdig und transparent überprüfbar ist. Für eine Verringerung der Lebensmittelabfälle um 50% wäre die Mehrheit bereit, einen Preisaufschlag auf Lebensmitteln von 10% zu bezahlen.

Fünf Mal ‘R’ als Lebenskonzept

Grosses Engagement auf diesem Gebiet beweist Christof Studer, Gründer und Inhaber der «Foifi-» und «Zollfrei-ZeroWaste» Ladencafés in den Zürcher Stadtkreisen 4 und 9 (https://foifi.ch). Der ehemalige Hochbauzeichner und gelernte Landschaftsgärtner hat sich damit ganz der Reduktion von Lebensmittelabfällen verschrieben, wie der Name ‘Foifi’ (fünf) schon implizieren soll und für fünf Mal ‘R’ steht: ‘Refuse’ (das Ablehnen von Unsinnigem, etwa Plastikverpackungen); ‘Reduce’ (sich auf das Wesentliche beschränken); ‘Reuse’ (Sachen, wie etwa Glasverpackungen, wiederverwenden); ‘Recycle’ (was man nicht weglassen oder reduzieren oder wiederverwenden kann, rezykliert man, wie etwa Papier- oder Kartonverpackungen) und ‘Rot’ (Grünabfall, der nicht mehr verwertet wird, lässt man verrotten; dieser Kompost dient dann wieder als Pflanzennahrung).

Studer und seine Co-Inhaberin Tara Welschinger sind seit einigen Jahren als ZeroWaste- Aktivisten unterwegs. Mit ihren Ladencafés und einem Takeaway stehen sie für eine zirkuläre Wirtschaftsform ein und versuchen, Teil der geforderten Veränderung zu sein. Möglich wurde dies, weil beide bereit sind, von einem sehr geringen Einkommen bei vollem Einsatz zu leben, und auch, weil sie sich mit den Vermietern auf sehr günstige Konditionen einigen konnten. Studers Kernbotschaft: Beklage nicht den Verzicht, sondern geniesse die Bereicherung!